Ist die Öffnung eines Mundstücks um mehr als eine Stufe sinnvoll?
Des öfteren wurde ich schon gebeten, ein Mundstück, welches an sich gut spielt und vom Sound her gefällig ist, um mehrere Stufen zu öffnen.
Der Gedanke dahinter ist oft, mehr Lautstärke, Volumen und Luftdurchsatz zu erzielen, damit sich das Mundstück eben „größer“ anfühlt, vielleicht noch mehr den Raum füllt oder sich besser gegen andere Instrumente durchsetzt.
Was naheliegend erscheint, ist jedoch in der Praxis nicht leicht bzw. gar nicht umzusetzen. Auf die Gründe hierfür werde ich im folgenden eingehen.
Es gibt zwei Methoden, die Öffnung eines Mundstücks zu vergrößern:
Die erste Methode ist das Schleifen der Bahn, hier wird die Öffnung vergrößert indem die Bahnkurve zur Spitze des Mundstücks hin abgeschliffen wird, die Tischebene aber konstanter Bezugspunkt bleibt. Dies klingt einfach durchführbar, bringt aber zwei praktische Probleme mit sich:
Erstens wird die mögliche Öffnung oft begrenzt durch die Ausfräsung für die Bissplatte, so bei vielen Metallmundstücken üblich (z.B. Otto Link Super Tone Master), mitunter aber auch bei Ebonit oder Kunststoffmundstücken (z.B. Brilhart Ebolin) zu finden. Die Spitze des Mundstücks besteht nicht nur aus der Bahnkurve, sondern auch aus dem Baffle, welches den Übergang in die Kammer markiert. Das Baffle muss perfekt zur Spitze ausbalanciert sein, um die gewünschten Spieleigenschaften hervorzurufen. Hierbei ist v.a. bei Rollover-Baffle-Varianten in aller Regel notwendig, beim Öffnen des Mundstücks Material am Baffle wegzunehmen. Da sich hier beim Öffnen zunächst die Tip Rail (vorderste Kante der Spitze) verbreitert, muss diese wieder reduziert werden. Will man diese von der Innenseite her angleichen, muss Material am Baffle entfernt werden, da es sonst in Relation zur Bahn zu hoch stünde.
Der Luftdurchsatz würde behindert und der Klang spitz und dünn.
Will man über ein sinnvolles Maß hinaus öffnen, muss so viel Material vom Baffle abgetragen werden, dass man Gefahr läuft, von Innen auf die Ausfräsung der Bissplatte zu stoßen. Dies wäre ein GAU für das Mundstück, nicht nur aus ästhetischen Erwägungen heraus, sondern auch für die Stabilität an dieser sensiblen Stelle.
Neben der Gefahr, bis zu einer Bissplattenfräsung durchzustoßen, gibt es noch einen grundsätzlichen Zusammenhang von Baffle-Form und Klang des Mundstücks.
Das Baffle ist definiert durch seine eigene Verlaufskurve gegenüber der Bahnkurve und Öffnung des Mundstücks. Dieser Verlauf ist essentiell für den Sound und markiert den Charakter des Mundstücks. Ein Öffnen verändert diesen signifikant, so dass es beim Refacing wesentlicher und aufwendiger Bestandteil der Arbeit ist, das Baffle so neuzugestalten, dass der prinzipielle Charakter des Mundstücks erkennbar bleibt und die gewünschten Charakteristika erhalten bleiben.
Bei zu extremen Öffnen, eineinhalb bis zwei Stufen sind hier bereits genug, ergibt es sich aus der Mundstücksgeometrie, dass so viel Material vom Baffle abgetragen werden muss, dass dieser grundlegende Baffle-Verlauf nicht wiederherstellbar ist!
Ein Rollover-Baffle wird im Verhältnis automatisch kürzer und der relative Abstand von Gegenwand und Blatt vergrößert sich. Damit ändert sich auch der Charakter des Mundstücks!
Die zweite Methode um ein Mundstück zu öffnen besteht in der Modifikation des Tischwinkels, im englischen Sprachraum oft als „bias butt cut“ bezeichnet.
Hierbei bleibt die Bahn zum Teil und die Spitze des Mundstücks so weit wie möglich erhalten. Die Modifikation besteht darin, den Tisch durch stärkeres Schleifen im hinteren Teil um den Bahnbeginn herum zu „kippen“, so dass die gemessene Öffnung sich vergrößert.
Während diese Methode oft Mittel der Wahl ist, ergeben sich aber auch hier mehrere Probleme:
Die meisten Mundstücke (v.a. in Kautschuk/ Ebonit) haben eine konische Außenform, d.h. sie haben einen dicken hinteren Teil und verjüngen sich zur Spitze hin.
Die Form des Tischs ergibt sich aus dem Winkel der Tischebene zur Rotationsachse des Mundstücks, da die Tischebene ein schräger Anschnitt (meist um die 4 Grad) des Konus ist. Wird der Winkel wie beim bias butt cut verändert, verbreitert sich der Tisch im hinteren Teil.
Beim Öffnen um mehrere Stufen wird der Tisch in den meisten Fällen nach hinten hin deutlich breiter als das Blatt! Neben ästhetischen Erwägungen kann mitunter auch die Klemmwirkung der Ligatur beeinträchtigt sein.
Ein Ändern des Tischwinkels wirkt sich auch auf die Bahnkurve aus. Ein Facing, welches zuvor perfekt radial (gleich einem Kreisausschnitt) am Tisch angelegt war, wird in Bezug auf die angestrebte Öffnung nun in weiten Bereichen zu flach, ca. von Bahnbeginn bis zur Mitte der Bahnkurve. Das behindert ein gutes Einschwingen des Blatts und muss korrigiert werden.
Hierbei muss zusätzlich der Tisch im neuen Winkel vollflächig geschliffen werden (also eigentlich wieder ein Schließen der Öffnung!), bis genug Material in dem Bereich der Bahn vorhanden ist, um wieder eine funktionierende Bahnkurve aufzubauen.
Dies ist ein aufwendiger Prozess, der wirtschaftlich kaum darstellbar ist, v.a. bei Metallmundstücken.
Es gibt noch einen weiteren Faktor, der beim bias butt cut zu beachten ist:
Durch Ändern des Tischwinkels vergrößere ich zwar die Öffnung, aber ich ändere ebenfalls den WInkel der Baffle-Kurve und Gegenwand zur Öffnung!
Ein Ändern dieses Winkels verändert wiederum den Charakter des Mundstücks, nicht so extrem wie beim Öffnen über die Spitze, weil das vordere Baffle den sensibelsten Teil darstellt, aber dennoch signifikant.
Generell ist zu sagen, dass ein eher großzügiges Öffnen eines Mundstücks auf beide Methoden, Schleifen der Spitze sowie Ändern des Tischwinkels zurückgreifen muss, um zumindest passable Ergebnisse zu erzielen.
Dies erfordert einen sehr hohen Arbeitsaufwand und die Veränderung des Charakters des Mundstücks in spürbarem Ausmaß ist unausweichlich.
Aus diesen Gründen rate ich in aller Regel davon ab, Mundstücke um mehr als eine Stufe zu öffnen.
Oftmals kann über Änderung der Bahnlänge, -charakteristik oder Bearbeitung des Baffles bereits eine deutlich bessere Bespielbarkeit des Mundstücks erreicht werden, so dass ein Öffnen nicht unbedingt erforderlich ist. Soll trotzdem über die physikalischen Gegebenheiten einer bestimmten Öffnung hinausgegangen werden, ist es in der Regel sinnvoller ein Mundstück mit der gewünschten Öffnung zu finden und dieses ggf. optimieren zu lassen.
Vintage Meyer Tru-Flex Repair
The pictures below show the repair of a severly damaged Meyer TruFlex mouthpiece.
The tip was scattered and the pieces got lost.
The missing part had to be reconstructed from a piece of Ebonite.